Das Herz der Schule neu entdecken
Weihnachten und Jahreswechsel – Einkehr und Aufbruch:
Advent, Weihnachten und Jahreswechsel sind für viele eine Zeit zum Innehalten, Zurückblicken und Einkehren, eine Zeit um sich zu regenerieren, neu auszurichten, mit Vertrauten zusammenzusein, auf die innere Stimme zu hören, Erinnerungen zu verarbeiten, in den tausend Ereignissen des zurückliegenden Jahres die verborgenen Bedeutungen zu lesen und Vorsätze der Erneuerung für das kommende Jahr zu fassen. Oder praktischer: Eine Zeit für Sofa und Wolldecke im Wechsel mit Spazierengehen und Schneetreiben, dann Heimkehr zu Tee oder Badewanne, ein Entspannen mit Büchern, Musik und Gesprächen, Verbundenheit mit den Nächsten und Wohltätigkeit gegenüber Fremden und, wenn möglich, eine Auszeit von Verpflichtungen, ein Durchatmen in einer Zeit, in der einfach mal nichts los ist. Eine Zeit des Seins.
Das mag kitschig klingen, ist hier aber ernst gemeint, weil es auch mit unseren Themen von Achtsamkeit, Mitgefühl, Verbundenheit und (Selbst)- Fürsorge zu tun hat. Kitsch wird es erst, wenn wir ausblenden, dass dabei oft auch das Gegenteil mitschwingt – Momente, in denen Entspannung schwer fällt, wir mit uns selbst nichts anfangen können, die Fremdheit von Angehörigen sichtbar wird oder wir die Unerfülltheit hinter den Geschenken erahnen. Im Kern ist es aber meist trotzdem ein ehrliches Bemühen um etwas Großes, das halt nur nicht leicht zu verwirklichen ist und deshalb nicht immer gelingt.
Advent und die Raunächte sind auch ein Rest von „indigener Spiritualität” in unserer Kultur, den wir wertschätzen und für uns nutzen sollten, gerade weil Spiritualität sonst so rar ist im öffentlichen Leben. In dieser Zeit erlaubt uns unsere Kultur offiziell Einkehr, Besinnung und den Kontakt zu den sonst verdrängten Seiten unseres Seins. Und Knecht Ruprecht und die Perchten des Volksbrauchtums erinnern uns daran, dass dieser Kontakt uns auch mit inneren und äußeren Dämonen konfrontieren kann – deren Macht über uns aber abnimmt, wenn wir ihnen mutig ins Auge blicken.
Ich frage mich, ob in der Weihnachtszeit nicht auch eine Analogie zu unserer Tätigkeit als Lehrer:innen steckt. Sind nicht beide der Versuch, eine Insel der Menschlichkeit zu schaffen in einer Welt, die sonst von anderen Motiven dominiert wird? Einen Raum zu kreieren, in dem personale Einmaligkeit und Entwicklung, authentische Beziehung und Verständnis höher geschätzt werden als Verwertbarkeit, materieller Gewinn, Selbstdurchsetzung und Konkurrenzfähigkeit? Ein Modell zu bauen, wie klein auch immer, für eine humanere, verbundenere und fürsorglichere Welt, in der Menschen gedeihen können, einen Inkubator für eine konviviale Lebensform, die wir erschaffen können oder vielleicht sogar müssen, weil wir mit der alten Lebensform gerade gegen die Wand fahren? Ich überlasse es euch, das selbst weiterzudenken.
Wenn ihr mögt, so hätte ich hier noch ein paar unverbindliche Anregungen – und danach wie immer die Reflexion:
Reflexion
Was sind jetzt gerade deine Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen zu den hier angesprochenen Themen?